Interview Karina Kröber und Rolf Hiller |
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Foto: BENJAMIN WESTHOFF

Die beiden Vorstände vom Verein City-Marketing zum Onlinehandel, zu Corona und zur Verkehrswende
„Man hat uns viel zugemutet“
Onlinehandel, Corona und jetzt die Verkehrswende: Gastronomen und Geschäftsleute zeigen sich besorgt über die Entwicklung der Bonner Innenstadt und fühlen sich von der Stadtspitze nicht gut informiert über die Maßnahmen zur neuen Verkehrsführung. Mit Karina Kröber und Rolf Hiller vom Verein City-Marketing sprach Lisa Inhoffen vom Generalanzeiger Bonn.

Zwei Jahre Pandemie mit monatelangen Lockdowns: Wo stehen Sie heute?

Karina Kröber: Unser Geschäft war nicht von den Lockdowns betroffen, weil wir systemrelevant sind und deswegen geöffnet haben durften. Wir hatten aber kürzere Öffnungszeiten, weil nicht mehr so viele Menschen in die Innenstadt kamen. Deshalb waren auch unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen teilweise in Kurzarbeit. Da ist es vielen anderen Kollegen in der Geschäftswelt deutlich schlechter ergangen. Jetzt sind wir alle einfach froh, dass die Türen wieder auf sind. Allerdings erzählt mir der eine oder andere, dass der Wegfall der Maskenpflicht schon für Diskussionen sorgt, wenn man Kunden bittet, dennoch eine Maske zu tragen, weil es eng im Laden ist oder man einfach sich selbst vor Ansteckung schützen will.

Rolf Hiller: Am Anfang war es für mich, aber auch für die Kollegen sehr ungewöhnlich. Ich glaube sogar, manche haben es anfangs genossen, einfach mal, um ein bisschen Dampf aus dem ganzen Stress rauszunehmen. Schwierig wurde es für viele, als klar wurde, wie lange der Lockdown dauern wird und es für mehr und mehr Gastronomen finanziell eng wurde.

Man wusste ja am Anfang auch noch nicht, ob es finanzielle Hilfen geben wird….

Hiller: Genau. Betroffen waren vor allem die Mitarbeiter in der Gastronomie. Sie haben ja nicht nur durch Kurzarbeit weniger Lohn erhalten, sondern auch kein Trinkgeld mehr. Und das macht über den Monat gesehen schon etwas aus. Bis das geklärt war, haben sich viele Mitarbeiter aus der Gastronomie andere Jobs gesucht. Sie mussten ja irgendwie über die Runden kommen. Das Personal fehlt uns heute.

Viele Selbstständige haben in dieser Phase enorme Existenzängste entwickelt. Wie war das bei Ihnen?

Hiller: Am Anfang war ich eher gelassen. Wir konnten ja gar nicht absehen, was passieren würde. Hätte man uns gesagt, dass wir ein Jahr danach sieben Monate zumachen müssen und auch noch das Weihnachtsgeschäft ausfällt, dann hätte ich mir am Anfang der Pandemie wohl sehr viel größere Sorgen gemacht. Karneval fiel ja dann auch noch aus.

Im Sommer nach dem ersten Lockdown durften Sie unter strengen Auflagen wieder öffnen. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Hiller: Es war zwar ein relativ guter Sommer, aber es gab viele Probleme mit den Kontrollen, die wir durchführen mussten, um unsere Gäste bedienen zu können. Die erste Zeit durften wir ja nur die Terrassen öffnen, und selbst dort mussten die Gäste Ausweise und Impfnachweise vorzeigen, während man in den Läden einfach einkaufen gehen durfte. Das fanden wir Gastronomen ungerecht. Was nachher gut gelaufen ist, sind die staatlichen Hilfen. Wer keine Hilfen bekommen hat, der möge sich selber kritisch hinterfragen, warum das so gewesen ist.

Hat sich die Lage inzwischen wieder normalisiert?

Hiller: Am Anfang, nachdem wir wieder normal öffnen durften, war schon vieles anders. Allein durch die 3G-Nachweise, die alle Gäste vorzeigen mussten. Jetzt aber, so denke ich, sind wir wieder auf dem Weg zur Normalität.

Kröber: Also, bei uns beobachte ich eher, dass zurzeit weniger Kunden in die Innenstadt kommen. Ja, die Läden können wieder normal öffnen, aber wir kämpfen jetzt mit einem ganz anderen Problem, wir leiden extrem unter Lieferschwierigkeiten.

Was hören Sie bei City-Marketing von Ihren Mitgliedern?

Kröber: Lange Zeit standen in der Innenstadt quasi die Uhren still. Es ist ja beinahe alles ins Wasser gefallen: Der Weihnachtsmarkt 2020, die Rosenmontagszüge, unsere Feste wie „Bonn leuchtet“. Wenn es Veranstaltungen gab, dann nur in abgespeckter Form. Auch jetzt ist es noch nicht einfach. Die Frage ist, was können wir tun, um Kunden in die City zu holen? Wir wollen uns ja nicht vorwerfen lassen, mit unseren Aktivitäten Corona-Superspreader zu sein. Die Kunst ist zurzeit, Veranstaltungen zu organisieren wie verkaufsoffene Sonntage, die coronakonform sind, aber trotzdem genug Menschen in die Stadt locken.

Hiller: Auf der einen Seite will die Stadt Bonn ja, dass wir etwas machen, auf der anderen Seite haben wir so viele Auflagen erhalten, die wir zum Teil gar nicht erfüllen konnten, wie zum Beispiel alle Besucher kontrollieren, ob sie geimpft oder genesen sind. Das können wir als City-Marketing personell gar nicht leisten. Das ist auch meine Kritik, dass in der ganzen Corona-Situation vieles auf uns Wirte und auf die Händler abgewälzt wurde und noch wird.

Wo hat sich die Pandemie aus Ihrer Sicht besonders negativ in der City ausgewirkt?

Kröber: Ich denke, es gab vor der Pandemie so manche Ecke in der Innenstadt, die sich gerade positiv entwickelte – wie in der Rathausgasse. Jetzt ist es dort schlimmer denn je. Wobei ich nicht sagen kann, woran es liegt. Ist es Corona und die Angst vor Neueröffnungen, weil man nur schwer Personal findet? Oder ist es die neue Verkehrssituation? Das muss man beobachten. Mein Eindruck ist zurzeit, dass mehr Läden schließen als vor der Pandemie.

Hiller: Ladenschließungen und -eröffnungen hat es aber immer gegeben…

Kröber: Was die Geschäftsleute aber mehr denn je spüren, ist die Abwanderung von Kunden ins Netz. Gut, die Zunahme des Online-Handels haben wir natürlich schon vor der Pandemie beobachtet. Aber jetzt ist es extrem. Die Innenstadt ist zwar voll, vor allem samstags. Doch das Bild täuscht: Die Leute kommen zum Essen, zum Bummeln. Es wird aber weniger gekauft. Das war vor der Pandemie anders.

Wie läuft Ihre neue Aktion mit dem Bonn-Gutschein?

Kröber: Das ist ein schwieriges Thema. Wir machen diese Aktion ja gemeinsam mit Händlern in den Bezirkszentren. Wir müssen noch viel Überzeugungsarbeit leisten.

Wie beurteilen Sie rückblickend die Maßnahmen gegen Corona?

Hiller: Im Nachhinein muss ich sagen, die waren in Ordnung. Ich finde aber, man hat uns Gastronomen und Geschäftsleuten sehr viel zugemutet. Manche Geschäfte mussten sogar Sicherheitspersonal vor den Eingängen postieren, die darauf achten sollten, dass die Leute Maske trugen und einen 3G-Nachweis hatten. Das sind natürlich immense Kosten, die wir Gewerbetreibenden zusätzlich stemmen mussten.

Onlinehandel, Corona, und jetzt klagen Gewerbetreibende über die neue Verkehrsführung in der City? Welche Folgen hat das aus Ihrer Sicht für die Innenstadt?

Kröber: Ich habe eine Freundin, die in einem Modegeschäft in Euskirchen arbeitet. Sie sagt, dort sind nach der Flutkatastrophe zwar nur 60 Prozent der Geschäfte wieder geöffnet. Diese erlebten zurzeit aber einen Einkaufsboom, von dem wir hier in Bonn nur träumen können. Ich werde mittlerweile richtig aggressiv, wenn ich aus der Ratskoalition und von der Oberbürgermeisterin höre, es gebe keinen Stau mehr in der City, die Leute hätten sich an die Kappung des Cityrings gewöhnt. Ja, warum gibt es denn keinen Stau mehr? Vielleicht, weil die Menschen einfach nicht mehr in die Innenstadt fahren? Das ist ein riesiges Problem für uns. Es gibt Menschen, die müssen mit dem Auto kommen, wenn sie schwere Einkäufe tätigen. Das geht eben nicht alles mit dem Fahrrad oder mit Bus und Bahn. Vor allem ältere Menschen haben Probleme. Außerdem sind die ganzen Verkehrsmaßnahmen meiner Meinung nach nicht gut nach außen kommuniziert und umgesetzt worden.

Hiller: Die Politik hatte übrigens auch versprochen, die Parkhäuser in der Innenstadt sollen weiter gut erreichbar sein. Die Einfahrten sind offen, das stimmt, aber es ist mittlerweile eine Tortur, dorthin zu kommen. Meiner Meinung nach hätte die Stadtverwaltung mit der Sperrung des Rheinufers in Richtung Norden warten müssen, bis das Koblenzer Tor fertig und die Durchfahrt wieder frei ist.

Mit der neuen Verkehrsführung soll aber vor allem der Durchgangsverkehr aus der City verschwinden. Ist das nicht auch in Ihrem Sinne?

Kröber: Ja, natürlich. Die Frage ist aber, wie und zu welchem Zeitpunkt das umgesetzt wird. Deshalb hatten wir mit sieben Wirtschaftsverbänden Frau Dörner angeschrieben und gebeten, diese Maßnahme zurückzunehmen, solange am Koblenzer Tor gebaut wird. Wir hatten die OB ja auch, wie Sie im GA berichtet haben, um ein dringendes Gespräch gebeten. Zu diesem Gespräch hat sie uns erst fünf Wochen später eingeladen. Dabei steht vielen von uns das Wasser bis zum Hals. Das zeugt doch von einem gewissen Desinteresse seitens der Stadt. Die Kommunikation muss deutlich besser werden. Wenn wir früh genug in Kenntnis gesetzt werden, dass etwas an der Verkehrsführung geändert werden soll, können wir rechtzeitig unsere Kunden informieren und versuchen, die Maßnahmen positiv zu begleiten. Es geht uns doch nicht darum zu sagen, was sind das für blödsinnige Maßnahmen. Es geht darum, dass man mit uns rechtzeitig im Schulterschluss überlegt, wie man die Bürgerinnen und Bürger überzeugen kann, dass es trotzdem toll ist, nach Bonn zu kommen. Denn das Ziel dieser Maßnahmen ist ja der Klima- und Umweltschutz, das verfolgen wir doch auch.

Hiller: Ich möchte an der Stelle betonen: Wir sind nicht gegen Radfahrer. Aber wir sind auch nicht gegen Autofahrer. Das unterscheidet uns, glaube ich, von der Stadtspitze und der Ratskoalition. Mein Eindruck ist, dass man den Autoverkehr komplett aus der Innenstadt verbannen will. Das wird aber nicht funktionieren.

Was muss geschehen?

Kröber: Es muss dieses Gegeneinander aufhören. Wir müssen uns zusammensetzen und gemeinsam überlegen, wie wir den Interessen des Handels und der Wirtschaft und dem Klimaschutz gerecht werden können. Ich halte zum Beispiel die Seilbahn zum Venusberg für ein sehr gutes Projekt. Sie würde sicher viel Durchgangsverkehre aus der Stadt rausnehmen. Aber dann muss es an den richtigen Stellen auch Park&Ride-Plätze geben. Ich sehe da die Stadt Bonn in der Pflicht, Park&Ride-Plätze im Rhein-Sieg-Kreis zu schaffen. Wenn die Menschen nach Bonn zum Einkaufen und zur Arbeit kommen sollen, dann kann es nicht sein, dass der Kreis diese Parkplätze bauen und bezahlen muss.

Hiller: Bonn ist nach wie vor eine fantastische Stadt. Bonn hat viel Potenzial. Das müssen wir nutzen. Aber, wie gesagt, alle Verkehrsteilnehmer müssen die Innenstadt gut erreichen können. Eben auch die Autofahrer. Übrigens, ich finde das 9-Euro-Ticket eine super Sache. Das könnte viele Leute am Ende zum Umsteigen auf den ÖPNV bewegen.